Moltke in Kappadokien
Helmuth von Moltke - Unter dem Halbmond
Aus den "Briefen über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839"
Aus den "Briefen über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839"
50.
Reise nach Iconium – Der Erdschiesch und Cäsarea – Kara-Djehennah – Iconium – Die Kilikischen Pässe – Der Bischof von Tomarse – Der Awscharenfürst
Reise nach Iconium – Der Erdschiesch und Cäsarea – Kara-Djehennah – Iconium – Die Kilikischen Pässe – Der Bischof von Tomarse – Der Awscharenfürst
Malatia, den 3. November 1838
Am 3. Oktober verließ ich Malatya, begleitet
von einem Dragoman, einem türkischen Tschausch [çavuş], einem Tataren und einem Seïs oder
Pferdeknecht mit dem Handpferd. Schnell jagten wir über die weite, von hohen,
schon mit Schnee bedeckten Bergen umgebene Ebene von Malatia fort und stiegen
im Tal von Hekimhan sanft, aber stetig auf das hohe Plateau des mittleren
Kleinasiens; es war dies derselbe Weg, den ich im Frühjahr mit so vieler
Beschwerlichkeit zurückgelegt hatte, diesmal aber, vom schönsten Herbstwetter
begünstigt, ging es in starken Märschen rasch vorwärts, umso mehr, als die
Gegend höchst einförmig und ohne Interesse ist.
Während eines Ritts von zweiundzwanzig
Wegstunden, zwischen Hekimhan und Deliklitaş , erblickten wir nur zwei bewohnte
Orte; die Berge treten zurück, und so weit das Auge reicht, entdeckt es nur
unangebaute Flächen oder kahle Hügel.
Auf der Ebene von Deliklitasch ist man 4000
bis 5000 Fuß über dem Meer; es fiel mir auf, das Korn noch auf dem Halm, die
Leute bei der Ernte zu finden, wenige Tage zuvor war hier schon Schnee
gefallen. In unserem nördlichen Himmelsstrich reichen einige warme
Sonnenstrahlen, die ganze Vegetation zu beleben, hier fängt das Frühjahr
überall sehr spät an und die Ernte zieht sich bis in den Winter hinein.
Man hatte mich genötigt eine Bedeckung von
Bewaffneten mitzunehmen, die ich bis Kaisarieh [Kayseri] in jedem Dorf wechselte; sie sollten uns
gegen die räuberischen Anfälle der Awscharen schützen, eines turkmenischen
Wanderstammes, der im Winter im Gebiet von Adana haust, den Sommer aber auf
asiatischem Boden lagert und dann seine kleinen Bedürfnisse auf Unkosten
anderer zu beziehen pflegt. Es waren kürzlich Tataren angefallen, Reisende
geplündert und sogar vor zwei Nächten ein Dorf angegriffen worden, was alle
übrigen Ortschaften in Schrecken gesetzt hatte.
Der Marsch ging in derselben öden und
einförmigen Hochebene westlich weiter, mein Tatar richtete es immer so ein,
dass er Pferde und Frühstück in einem Giaur-köj [Cavurköy] oder christlichen Dorf forderte, denn dort
ist er Herr von dem Augenblick seiner Ankunft, bis der Hufschlag seines Pferdes
verhallt.
Von Scharkischla [Şarkkışla] aus war es mit dem schönen Wetter vorbei,
der Regen strömte unbarmherzig auf uns herab, meine Kleider waren so schwer,
dass sie mich fast erdrückten, und die armen Pferde konnten die Füße kaum aus
dem tiefen Lehmboden herausziehen. Unser Einzug in das Städtchen Gemerick [Gemerik] ergab einen
trübseligen Anblick; ich kroch in ein Paar weite rote Beinkleider und den
Pelzmantel des Mullahs, während mein wattierter Überrock an einem mächtigen
Feuer geröstet und die Stiefel ausgegossen wurden. Eine halbe Stunde jenseits
des Städtchens aber war es wieder dasselbe Elend.
Wir übernachteten in einem Dorf unweit
Pallass [Palas (Tuzla)] an den
Salzquellen, welche die Gegend mit Salz versorgen; es gibt aber dort weder
Pumpen noch Dampfmaschinen, weder Gradierhäuser noch Kochherde, die flachen
Teiche füllen sich von selbst, die Sonne trocknet sie aus, das Salz bleibt
zurück und Kamele in langen Reihen tragen es davon. Als am folgenden Morgen
früh der Wolkenvorhang sich auseinander zog, stand vor uns der mächtige Riese
Erdschiesch [Erciyes]; er hatte
während der Nacht ein neues, schneeweißes Kleid angelegt, purpurn gefärbt von
der Sonne, der er schon ins Antlitz schaute, obwohl sie für uns noch tief unter
dem Horizont weilte; fünfzig Stunden weit bis nahe vor Konieh [Konya] sah ich den
Giganten hoch über alle anderen Berge emporragen. Die Form dieses Berges ist
überaus schön; der schroffe Gipfel spaltet sich in drei Zacken, die mit ewigem
Schnee überschüttet sind, und rings umstehen diese Riesenpyramide eine Menge
runder Bergkegel mit überaus abschüssiger Böschung, der Fuß ist mit endlosen
Weinbergen bedeckt und verläuft sich in eine Ebene, aus der die Kuppeln und
Minaretts des neuen Cäsarea [Kayseri]
emporstreben.
Kaisarieh [Kayseri] ist eine der hübschesten Städte in der
Türkei, zwar sind die Straßen auch hier eng und schmutzig, aber die Häuser
haben ein freundliches Aussehen; sie sind aus schönem Sandstein erbaut und
Fenster und Türen sind künstlich geschnitzt; die Dächer bilden flache
Terrassen, von denen aus man eine schöne Aussicht auf den nur zwei Stunden
entfernten Erdschiesch, auf das alte Kastell im Innern der Stadt und die weite
fruchtbare Fläche hat, die diese umgibt.
Am folgenden Morgen war das Wetter eine
Mischung aus Regen, Sturm und Hagel, der Weg aus Sumpf, Stein und Geröll; es
war mir anfangs sehr auffallend, auf einer vollkommenen Horizontalfläche
zwischen so hohen, steilen Bergen hinzujagen, bald aber mussten wir einen
Sattel erklettern und jenseits zogen wir längs eines der Sasslyk [sazlık] oder Sümpfe hin,
welche jenen Teil Asiens charakterisieren und worin fast alle Flüsse nach
kurzem Lauf versiegen.
Auf diesem Ritt war mir ein Dragoman abhanden
gekommen und ich musste den Tatar absenden, um ihn wieder einzufangen; dem
armen Menschen waren die Hände erstarrt, er war gestürzt und hatte sich den Fuß
beschädigt; es blieb aber nichts übrig, als weiterzureisen nach Indje-suj
(Schmalwasser) [İncesu], einem hübschen
Städtchen in einer Schlucht, aus deren rötlichem Gestein ein großes Hann mit
Mauern und Moscheen erbaut ist, das die ganze Breite des Tals schließt. Dort
wurde der erste Physikus requiriert und es erschien der Tschoban [çoban] oder Viehhirte,
welcher versicherte, dass nichts gebrochen sei, sondern nur eine Quetschung
stattgefunden habe; der Dragoman war aber sehr besorgt und fragte drei Tage
lang jeden Menschen, der uns begegnete, ob er nicht ein Kyrekschi [kürekçi] oder Wundarzt
sei.
Nachdem wir unter fortwährendem Regen eine
Hochebene überschritten hatten, öffnete sich gegen Abend vor uns ein tiefes
Tal, an dessen Hang wir wohl eine halbe Stunde hinabstiegen; jenseits breitete
sich das hübsche Städtchen Uergyp [Ürgüp] aus,
überragt von einer alten Burg auf einem senkrecht abgeschnittenen Felsen, der
von Höhlen wunderbar durchwühlt ist. Die Häuser in Uergyp sind überaus zierlich
aus Stein errichtet; aber nichts ist leichter, als hier ein Haus zu bauen. Der
Sandstein ist weich wie Kreide, er verhärtet sich an der Luft und das Loch im
Felsen, aus welchem die Steine geschnitten werden, ist wieder ein Haus, das im
Sommer kühl, im Winter warm, zu allen Zeiten trocken ist und in keiner
Feuerversicherungsanstalt assekuriert zu werden braucht.
Die Hochebene hinter Uergyp ist mit
Weinfeldern bedeckt, von tiefen Schluchten durchschnitten, an deren schroffen
Rändern seltsame Burgen sich erheben, wie man sie auf alten Tapeten abgebildet
findet; zur Rechten zieht das weite, offene Tal des Kisil-Irmak (des roten
Stroms) [Kızılırmak]. Wir
erblickten nach einem kurzen schnellen Ritt das weiße Kastell, das die große
freundliche Stadt Newschehr krönt.
In Newschehr [Nevşehir] machte ich die Bekanntschaft einer
Notabilität dieses Landes, die den Titel Kara-Djehennah [kara cehennem] oder schwarze Hölle führt; dieser
Mann, dessen eigentlichen Namen fast niemand kennt, hatte bei der
Janitscharenvertilgung eine so blutige Rolle gespielt, er hatte damals und
seitdem so viel Festigkeit, Grausamkeit, Mut und Jähzorn gezeigt, dass ihm jedermann
aus dem Wege ging, seinen Namen nur mit einer gewissen Ehrfurcht und leise
aussprach und mein Tatar mich zweimal fragte, ob ich in Newschehr wirklich beim
Müsselim absteigen wolle.
Mein Herr will sogleich Pferde. – Dein
Herr wird warten können. – Du kennst meinen Bey nicht, es ist ein
angesehener Mann. – Mein Bey ist noch ein ganz anderer Mann; hast du
noch nicht von Kara-Djehennah gehört? Diese Unterredung war eben gepflogen
worden zwischen dem vorausgeeilten Tataren und der Dienerschaft, als ich in den
Hof des Serajs ritt. Der Müsselim sei beim Namass (dem Gebet), hieß es, ich
könne ihn nicht sprechen. Ich schlenderte daher in eine nahe gelegene schöne
Moschee mit dem schlankesten Minarett, das ich irgendwo gefunden; als ich
zurückkam, hieß es, der Müsselim-Effendi sei noch nicht aufgestanden. Nun kenne
ich aber meine Türken gut genug, um zu wissen, dass hier durch Warten oder
Nachgeben nichts zu gewinnen war; ich erklärte daher dem versammelten Schwarm
von Kawassen und Agas zuversichtlich und laut, dass ich unverzüglich zum
Müsselim geführt zu werden beabsichtige, dass ich nicht gewohnt sei, mich im
Hof empfangen zu lassen, und schritt ohne weiteres die Stiege hinauf und in ein
Zimmer, in das fast gleich darauf der Bey eintrat, ein Mann mit der imposantesten
Persönlichkeit, die mir vorgekommen. Der Höllenfürst und ich begegneten uns wie
zwei Männer, die gleich sehr bemüht sind sich nichts von ihrer Würde zu
vergeben; das schöne Gesicht des Beys mit eisengrauem Bart schien anzukündigen,
dass Krieg und Frieden noch nicht bei ihm entschieden sei, ich wiederum nahm
nicht die geringste Kenntnis von seiner Anwesenheit, ließ mir, wie es die Sitte
erfordert, die schweren Reitstiefel durch meine Leute ausziehen und schritt
dann nach dem obersten Sitz; erst, nachdem ich mich dort niedergelassen hatte,
begrüßte ich, die Hand an die Brust legend, meinen Wirt mit dem feierlichen Merhabah!,
und der Bey, um mir eine Probe von seiner europäischen Lebensart zu geben,
antwortete: Adio!
Nach den ersten Zügen aus der Pfeife, die ich
mir reichen ließ, wechselten wir einige Redensarten; der Müsselim fragte mich,
ob ich ihn wohl schon kenne. Ich habe dich nicht gesehen, aber wohl von dir
gehört, sagte ich. – Was hast du gehört? – Dass du ein guter
Artillerist bist und Kara-Dejehennah heißt. Nicht für jeden Mann wäre der
höllische Zuname ein Kompliment gewesen, meinem Bey schloss es aber das Herz
auf; alsbald brachte man Frühstück und Kaffee und, zum freudigen Erstaunen
meines Tataren, treffliche Pferde, mit denen wir noch denselben Tag sechzehn
Stunden bis Akseraj [Aksaray]
weiterjagten; dort kamen wir bei finsterer Nacht an.
Die Ebene, die sich vor Akseraj (dem weißen
Schloss) bis Konieh [Konya] ausbreitet, sieht
dem Meer ähnlicher als dem Land; dreißig Stunden weit erblickt der Wanderer
keinen Baum, keinen Strauch und meilenweit kein Dorf, kein Haus und kein
Ackerfeld. Es ist die ebenste Ebene, die ich gesehen, und nur am fernsten
Horizont zieht sich ein blasser Streif blauer Berge, die wie auf der See in der
Luft zu schweben scheinen. Eine dürftige Vegetation bedeckt die weite Fläche,
meist ein gestrüppartiges Kraut, das die Kühe sehr lieben, und das unter den
Hufen der Pferde einen überaus angenehmen Geruch verbreitet. in Konieh bereitet
man ein Öl aus diesem Kraut, von dem ich eine Probe mitgenommen habe und das
mir schöner zu riechen scheint als das Rosenöl. Der ganze Boden ist hier mit
Salz und Salpeter gesättigt und der gänzliche Mangel an Wasser macht jeden
Anbau unmöglich; mitten durch die Einöde ziehen die Ausläufer eines Sumpfes
nach dem Salzsee von Chodsch-hissar [Sereflikoçhisar] zu, der völlig ohne Abfluss ist. An diesen
Sumpflachen findet man einige Jaïla [yayla], eine sehr gebräuchliche Benennung für
Häuser, welche die Turkmenen im Sommer bewohnen, um ihre Herden zu weiden, im
Gegensatz von Kischla [kışla],
Winterwohnung. Dicht neben jenem Sumpf erhebt sich das mächtige Sultan-Hann [Sultanhan]; das Portal
desselben, aus Marmor, ist so hoch, so reich verziert und so prachtvoll, wie
das irgendeiner großen Moschee in Konstantinopel; aber durch diese in einer
solchen Gegend höchst überraschende Pforte tritt man in einen Hof der Verödung;
die doppelte Reihe schöner Bogengänge ist meistens eingestürzt, und eine kleine
Lehmhütte zwischen den Trümmern des Wartturmes ist der einzige bewohnbare
Fleck. Unter den prächtigen Gewölben fand ich eine unglaubliche Menge von
trockenem Kamelmist, die einzige Feuerung, welche man sich für den Winter zu
verschaffen weiß.
Als Wegweiser durch die Einöde dienen die
beiden schönen Gipfel des Hassan-Dagh [Hasan dağı]; sie scheinen früher Vulkane gewesen zu sein, der eine,
der oben schief abgeschnitten ist, zeigt einen weiten Krater, aus dem wieder
ein Spitzkegel hervorragt.
Der zweitägige Ritt mit denselben Pferden
achtunddreißig Stunden weit, auf dem wir bis Konieh nur zwei bewohnte Orte
getroffen haben, ist einer der ermüdendsten, deren ich mich erinnere; froh war
ich, als ich die Kuppeln, die Minaretts und die vielen Bäume von Konieh am Fuße
steiler Berge endlich deutlich hervortreten sah.
Die türkischen Städte sehen überhaupt sehr
verödet aus, aber keine mehr als Konieh [Konya]; es ist weniger verfallen durch die Zeit, als zerstört
durch Menschenhände. Ein Jahrhundert hat hier immer seine Denkmäler erbaut aus
den Trümmern der vorhergehenden; in der christlich-römischen Zeit riss man die
Tempel ein, um Kirchen zu erbauen; die Moslems verwandelten die Kirchen in
Moscheen und die Moscheen liegen heute in Trümmer. Eine hohe lange Mauer mit
hunderten von Türmen umschließt nur ein ödes Feld mit einigen zerfallenen
Ruinen; in dieser Mauer siehst du heidnische Altäre, christliche Grabsteine,
griechische und persische Inschriften, Heiligenbilder und genuesische Kreuze,
den römischen Adler und den arabischen Löwen ohne Rücksicht eingefugt, wie die
Werkstücke eben zu einer Scharte oder Zinne passten, und eine große türkische
Inschrift an jedem Turm sorgt dafür, dass niemand in Zweifel bleibe, wer die
Barbaren waren, die dieses Werk vollbrachten. Auf einem Hügel mitten in der
Stadt, der früher wahrscheinlich die Akropolis getragen hat, befinden sich die
Ruinen mehrerer Moscheen und einer byzantinischen, sehr zierlichen Kirche. Von
dort übersieht man alle die vielen eingestürzten Kuppeln von Bädern und Turbehs
[türbe] oder Gräbern
türkischer Heiliger, einzelne schlanke Minaretts aus bunt glasierten Ziegeln
neben einem Schutthaufen, der früher einen Dom bildete, ausgedehnte Mauern,
alte Türme und dahinter die schöne Baumgruppe des großen Dorfes Sileh [Sille], das sich ins
nahe Gebirge hinzieht. Ich trat durch die enge, halb verschüttete Tür in ein
altes Gemäuer und fand mich plötzlich in dem schönsten Hof, den die Phantasie
sich ausmalen kann; die arabischen Spitzbögen, die schlanken Säulen aus bunten
Ziegeln, im Hintergrund ein weites, halb eingestürztes Gewölbe mit Arabesken
aus schwarzen, dunkel- und hellblauen Ziegeln, dies alles bildet ein Ganzes,
von dem ich unseren Architekten wohl eine Kopie wünschen möchte.
Nur die heutige Generation hat gar nichts
gebaut als eine Kaserne und die Lehmhütten, in welchen sie sich verbirgt.
Konieh liegt gegenwärtig außerhalb der alten Mauer und bildet eigentlich eine
weite Vorstadt von einer Stadt, die nicht mehr existiert.
Hadschi-Aly, der Gouverneur des ausgedehnten
Sandschaks [sancak] von Konieh, ein
Pascha vom alten Schlag, hatte mich sehr freundlich empfanden und mir den Konak
des Müsselims zur Wohnung angewiesen, der besser logiert war als Se. Exzellenz
in ihrem Seraj aus Lehm; er wünschte, dass ich die Reise nach dem Külek-Boghas [Külek Boğazı] in Begleitung Ejub-Paschas,
des Zivilgouverneurs der Provinz, machen sollte, und ich musste deshalb ein
paar Tage in Konieh verweilen; zum Abschied schickte der alte Herr mir vier
Beutel durch seinen armenischen Bankier.
Da wir nun Geldgeschenke nicht annehmen, so
bat ich diesen meinen Dank und die Summe an den Pascha zurückzutragen. Der
Bankier fand das sehr schön, bat aber doch, einen anderen mit der Kommission zu
beehren, da er seine Fußsohlen viel zu lieb habe, als dass er dem Pascha so
etwas vorschlagen könne: Dieser werde von solcher Prozedur nichts begreifen,
als dass die Summe mir zu gering gewesen wäre. Sprach ich nun selbst mit dem
Pascha, so würde es mir schwer geworden sein, ihm begreiflich zu machen,
weshalb ein Franke zwar wohl eine Dose oder eine Uhr für 200 Gulden, 200 Gulden
aber nicht annehmen könne; sprach ich nicht mit ihm, so steckte der Bankier das
Geld ruhig ein. Unter diesen Umständen nahm ich das Geschenk an, bedankte mich
schön und ließ es sofort unter meinen Dragoman, den Tschausch und den Tataren
verteilen; die Umstehenden fanden dies sehr großmütig und besonders sehr
töricht, aber sie wussten schon, dass die Franken alle etwas delih [deli] oder närrisch
sind.
Von Konieh aus ritten wir einen ganzen Tag,
ohne mehr als zwei Dörfer zu berühren, und trabten noch die Hälfte der
folgenden Nacht durch die weite, öde Ebene, bevor wir das jenseitige Bergufer
bei Karapunar [Karapınar]
(schwarzer Brunnen) erreichten. Abends langten wir in Eregli [Ereğli] an, einem unter
Bäumen begrabenen Städtchen am Fuße der Gebirge, von denen ein prächtiger Bach
in einem romantischen Tal herabrauscht, der aber schon nach zweistündigem Lauf in
der Ebene bitter und salzig wird und sich in einen Sumpf verläuft.
Die Stadt ist ziemlich groß, aber fast ganz
entvölkert. Die warmen Quellen, die in der Vorzeit gewöhnlich dem Herkules
geweiht waren, haben dem Ort seinen Namen gegeben, aber außer ein paar
Kapitellen fand ich keine Spur mehr von dem alten Herakleia.
Die weite Ebene hatte sich jetzt in ein Tal
verengt, das immer schmaler zusammenlief; zur Rechten zieht der hohe Bulgur wie
eine Mauer ohne Unterbrechung und fast in gleicher Höhe zwanzig Stunden weit
hin. Jene Bergwand ist es, die Adana von Kleinasien abtrennt und durch die nur
ein einziges Tal oder vielmehr eine tiefe Schlucht hindurchführt und eine
Verbindung öffnet zwischen Syrien und Anatoli; diese Pylen (Pforten) haben
daher auch von Cyrus, Xenophon und Alexander bis auf Ibrahim-Pascha herab eine
wichtige Rolle gespielt in den Zügen der Heere und eine noch wichtigere,
obschon weniger bemerkte, in den Zügen des Handels und des Verkehrs der Völker.
Meinem Kollegen, dem Hauptmann Fischer, war die Aufgabe zuteil geworden diese
Kilikischen Pässe, heute Külek-Boghas [Külek Boğazı], durch welche europäische Heere sonst gegen Persien,
Indien und Ägypten vorgedrungen, den ägyptischen Kriegsvölkern zu schließen,
welche diesmal, wie vor fünf Jahren, drohten gegen Europa vorzubrechen.
Bei Ulukischla [Ulukışla] traten die Bergwände von beiden Seiten
zusammen; es ist dort der größte und schönste Hann im Osmanischen Reich, man
könnte ein Regiment Kavallerie bequem darin unterbringen, und obwohl seit Jahrhunderten
kein Ziegel daran repariert wurden, so ist das Ganze doch noch gut erhalten.
Dieses ausgedehnte Bauwerk ist mit einem Bad und einer Moschee versehen; die
100 Fuß langen, weit gespannten Gewölbe, die sorgfältige Ausführung des Ganzen
zeugen von der Wichtigkeit, die einst diese Straße für den Handel hatte; jetzt
freilich ist sie verödet und kaum sieht man ein paar Maultiere mit Weintrauben
oder Kohlen auf derselben dahinziehen.
Sieben Stunden weiter, bei Tschifte-Hann [Çiftehan], hat sich das Tal
schon in eine Schlucht verwandelt, hohe zackige Felsen schließen es und die
Sohle hat nur Raum für den Bach, der über die Steinblöcke rauscht. Der Weg
windet sich am rechten Ufer hinab; hier herrschte reges Leben: Die beiden Hanns
neben der Brücke waren neu aufgebaut und dienten den Arbeitern zur Behausung;
die Berge ertönen von der Axt der Holzhauer und dem Sturz der alten
Pinienstämme. Aber in dieser Szene der Tätigkeit suchte ich den Urheber
vergebens; ich fand meinen Kameraden in einem feuchten Stübchen des Hanns von
einem heftigen Fieber geschüttelt. Bei einer so wichtigen Aufgabe war indes
keine Zeit, krank zu sein, und noch am selben Tag beritt er mit mir die nächste
Umgebung; wir kehrten erst bei dunkler Nacht heim, an den Thermen oder heißen
Quellen vorüber, von denen schon Xenophon spricht.
Am folgenden Morgen ritt Fischer mit dem
Pascha und mir über Tagta-Köpry [Tahtaköprü] bis eine
Stunde von Akköpry [Akköprü] vor, wo
die ägyptischen Grenzposten stehen; dann über hohe Berge nach Dschevisly-Hann [Cevizlihan], wo dieselbe
Tätigkeit herrschte wie bei Tschifte-Hann, und tags darauf nach Maaden [Maden Köy]. Die Kraft des
Willens siegte bei Fischer über die Schwäche des Körpers; wenn der Fieberanfall
kam, so legte er sich eine Stunde unter einen Baum oder neben einer Fontäne
nieder, wir machten ein Feuer aus Reisig und trockenem Gras, kochten einen Tee
und setzten dann den Weg, so gut es gehen wollte, fort. In Maaden verließ ich
meinen Kameraden und habe leider seit der Zeit noch keine Nachricht von ihm.
Die Gebirge streichen vom Külek-Boghas an
ebenso mauerartig nördlich, wie sie bis dort östlich gezogen waren; bei
Djevisly-Hann bildet der Apuyschkir-Dagh gegen Westen eine senkrechte Felswand von mehr als 1000 Fuß Höhe. Dieser
Bergdamm endet plötzlich bei der weiten Sumpfebene von Mussa-Hadschi (Pilger
Moses). Mir kam es nur darauf an, einen Weg durchs Gebirge direkt nach
Malatia [Malatya] zu
finden, dem aber stellten sich neue Schwierigkeiten von allen Seiten entgegen.
Es gebe gar keinen solchen Weg, hieß es, und die Gegend sei durch die Awscharen
so unsicher, dass man ohne starke Eskorte sie nicht passieren könne. Ich hatte
ein Schreiben Hadscht-Aly-Paschas an den Müsselim von Devely [Develi] mit, der
persönlich für mein Weiterkommen verantwortlich gemacht wurde; dieser erklärte,
dass er die Verantwortung meiner Reise in der gewünschten Richtung nicht auf
sich nehmen könne, wenn ich mich aber an den Bischof von Tomarse [Tomarza] wenden wollte, so
wäre das der Mann, der mir den besten Geleitbrief gegen die Awscharen geben
könne, und bis dahin werde er mir so viel Eskorte mitgeben, als ich nehmen
wolle.
Ich war nicht wenig verwundert, den Müsselim,
der ein Moslem war, so von einem armenischen Bischof reden zu hören, der ein
Giaur ist, und beschloss den Vorschlag anzunehmen. Mein Dragoman, der selbst
Armenier ist, setzte sofort eine armenische Schrift, ein Meisterstück von einem
Empfehlungsbrief, auf; nächst dem Padischah und dem Müsselim von Devely gab es
keinen so großen Mann mehr im Osmanischen Reich wie mich, und der Müsselim
petschierte seinen Namen darunter.
Tomarse liegt in einer weiten Ebene, die mit
Ackerfeldern und Viehweiden bedeckt ist; vor der Stadt erblickt man die Trümmer
einer schönen byzantinischen Kirche, welche die Türken zerstört haben, aber in
der Stadt ragt stolz, aus Steinen gefügt, ein neues Gotteshaus empor, das der
Bischof im vorigen Jahr vollendet hat. Die Giaurs sahen uns beim Vorüberreiten
in der Stadt so zuversichtlich an, als fühlten sie sich unter dem Schutz ihres
geistlichen Hirten sicher gegen die Bedrückung, die ein Besuch wie der unsrige,
gewöhnlich mit sich bringt. Der Bischof hatte unlängst einen Feldzug gegen die
Awscharen unternommen und einige zwanzig Räuber in sein Kloster eingesperrt;
ich fing an mir den Tomarser Prälaten ungefähr wie einen Kurfürsten von Köln
vorzustellen.
Der Dragoman war vorausgeeilt mit seinem
epistolischen Meisterstück, um, wenn ja etwas daran fehlte, es mündlich zu
interpretieren; man führte mich nun nach einer Felsspalte, in der ein paar kleine
Häuschen, von einer Mauer umgeben, lagen; das war das Kloster und die Residenz
des Bischofs. Im Hof empfing mich ein kleines wohlgenährtes Männchen, das war
der Bischof.
Nachdem mein freundlicher Wirt mich mit
Kaffee, Likör und Pfeife erquickt hatte, fragte ich ihn nach dem Ursprung
seiner weltlichen Gewalt. Es hatte vor zehn Jahren die gesamte Bevölkerung von
Tomarse den Beschluss gefasst auszuwandern, um dem unerträglichen Druck der
türkischen Behörden zu entgehen; damals überzeugte der Bischof die Leute zu
bleiben und übernahm selbst die Iltesam [iltizam] oder die Pacht der Abgaben. Da außer den Armeniern eine
große Anzahl Moslems im Ort wohnen, so hatte man, um die Form zu retten, einen
Woiwoden über sie eingesetzt, der aber ganz von dem Bischof abhängt, der uns
einen neuen Beweis gab, dass unterm Krummstab gut wohnen ist.
Der Bischof erzählte mir ferner, dass ich von
den Awscharen wenig zu befürchten hätte; die Awscharen seien ebenso wenig ein
Volk aus lauter Räubern wie irgendein anderes; freilich gebe es viel loses
Gesindel unter ihnen, aber diese seien die Feinde ihres eigenen Stammes so gut
wie der Fremden und von ihm verfolgt.
Am folgenden Mittag erreichte ich Ekrek [Ekrek]; die Gegend ist
felsig, die Schichtung des Gesteins vollkommen waagerecht, durch den Regen ist
zuweilen das Erdreich zwischen zwei solchen Schichten ausgewaschen und es haben
sich weite unterirdische Räume gebildet, welche Wohnungen für Menschen und
Herden bilden.
In Ekrek erfuhr ich, dass Suleiman-Pascha,
der Gouverneur von Marasch [Karamanmaraş], sich in
Gögsyn [Göksun] befinde, dem
nächsten Dorf auf der von mir eingeschlagenen Richtung auf Albistan [Elbistan]; Gögsyn war aber
volle zweiundzwanzig Stunden auf schwierigen Gebirgswegen entfernt, mit
denselben Pferden war diese Tour ein einem Tag nicht zu machen und unterwegs
gab es kein Dorf, kein Haus, kein festes Obdach. Da war es denn ein großes
Glück für mich, dass einige der gefürchteten Awscharen da waren, und wie ich
die vorige Nacht unter dem Dach eines armenischen Bischofs geschlafen, so
lagerte ich die nächste unter dem Zelt eines turkmenischen Fürsten.
Ein Aga Suleiman-Paschas, den ich in Ekrek
gefunden, eilte voraus, um Osman-Bey meinen Besuch anzukündigen; das war
einigermaßen nötig, denn der Bey, auf dessen Wort 2000 Reiter aufsitzen, hatte
unlängst seinem jüngsten Sohn eine Frau gekauft, und der achte und letzte
Hochzeitstag ward eben heute gefeiert, auch gab es für mich keine bessere
Empfehlung als die Suleiman-Paschas, auf dessen Grund und Boden der Wanderstamm
des Sommers lagerte.
Wenn die Moslems nicht recht über die
Empfangszeremonie des Fremden mit sich einig sind, so richten sie es gern so
ein, dass sie bei seinem Eintreffen das Gebet verrichten, dann brauchen sie von
niemandem Kenntnis zu nehmen und vermeiden wenigstens das ihnen so lästige und
anstößige Aufstehen vor einem Ungläubigen. Osman-Bey fand ich, nachdem ich von
Musik empfangen worden war, in seinem großen Zelt aus schwarzem Ziegenhaar auf
dem Teppich kniend und gegen die Kaaba von Mekka gewendet; es waren schöne
seidene Polster am oberen Ende ausgebreitet, neben einem großen Feuer, das
unter dem nach einer Seite ganz offenen Zelt loderte, vor ihm war das Leibpferd
des Beys, wie üblich, an allen vier Füßen gefesselt und an einen Pflock in der Erde
festgebunden; der Sattel wird auch des Nachts nicht abgenommen und ein Tschüll oder eine große Decke aus Filz ist
der einzige Schutz der harten turkmenischen Pferde gegen die Witterung; die
übrigen Rosse sprangen frei und ohne Fesseln auf der Weide herum.
Nachdem ich es mir möglichst bequem gemacht
hatte, kam der Bey herbei, begrüßte mich freundlich und nachdem Kaffee und
Pfeifen das zu Anfang jedes Besuches schickliche Stillschweigen gelöst hatten,
erkundigte er sich nach meiner Heimat, ungefähr wie wir einen Mondbewohner
ausfragen würden, wenn er wie ein Meteorstein auf unseren Planeten herabfiele;
er wollte wissen, ob das Meer bei uns wäre? – Ja! Und des Winters gehen wir
darauf spazieren. – Ob viel Tabak bei uns wüchse? – Wir holten das meiste davon
aus der Neuen Welt. – Ob es wahr wäre, dass wir unseren Pferden die Ohren und
die Schwänze abschnitten? – Nein, bloß die Schwänze. – Ob Quellen bei uns
flössen? – Ja, wenn sie nicht zugefroren sind. – Ob es Kamele bei uns gäbe? –
Ja, aber bloß zum Ansehen für Geld. – Ob Zitronen wüchsen? – Nein. – Ob wir
viele Büffel hätten? – Nein. – Beinahe hätte er gefragt, ob die Sonne bei uns
schiene, er unterdrückte indes mit einem erstickten Allah! Allah! die
Bemerkung, dass mein Land wohl ursprünglich nur für Eisbären bestimmt sei.
Das große Zelt, in dem wir uns befanden, war
eigentlich der drawing room des Beys, die Winterzelte der Turkmenen sind sonst
klein und backofenförmig; sie bestehen aus einem kreisförmigen Gitter,
überdeckt von einem Dom aus leichten, zierlich gefugten Stäben, das Ganze ist
mit Filz überzogen und mit langen Halftern umwickelt. Wenn man in ein solches
Zelt ein Kohlenbecken setzt, so ist es bald wie eine Badstube.
Das fürstliche Diner bestand aus Milch, Reis,
Käse und Brot; um einen schwierigen Etikettepunkt zu umgehen, wurde die Tafel
vor mir gedeckt, d. h. ein Leder an die Erde ausgebreitet und hölzerne Löffel
darauf gelegt; die ganze Gesellschaft kam dann dorthin. Der Bey aber blieb
sitzen und aß erst, nachdem wir fertig waren.
Nach der Mahlzeit fing das Ballett an; es
schien mir wirklich viel unterhaltender als das im Opernhaus zu Berlin und war
jedenfalls wohlfeiler in Szene gesetzt. Ich will dir eine Beschreibung davon
geben:
Der Schauplatz ist eine schöne Wiese, im
Hintergrund begrenzt durch hohe schneebedeckte Berge, über die sich eben die
fein geschweifte Sichel des Neumondes erhebt; statt der Lampenbeleuchtung
lodert in der Mitte ein Feuer aus mächtigen Fichtenstämmen; das Orchester
besteht aus einer großen Trommel und zwei Dudelsäcken, die ihre Symphonie mit
besonderem Nachdruck vortragen. Das Publikum ist allerdings sehr gemischt,
außer uns meist Büffel und Kamele, die ihre langen wunderlichen Hälse hoch über
die niedrigen Zelte emporstrecken; um das Feuer tanzt nun ein junger rüstiger
Bursche in seiner weiten turkmenischen Tracht, den Turban auf dem Kopf, Messer
und Pistolen im Gürtel; und wenn körperlicher Anstand die völlige Beherrschung
aller Bewegungen der Glieder ist, so konnte man ihm diese Eigenschaft nicht
absprechen.
Plötzlich schießt aus dem Dunkel gegenüber
ein zweiter Kämpe hervor, der ihn zu fassen strebt; der Angegriffene schwingt
sich mit der größten Schnelligkeit um das Feuer, wirft sich zu Boden, springt
wieder auf und sucht sich auf alle Weise der Verfolgung zu entziehen; da kommt
ihm ein Kamerad von seiner Partei zu Hilfe, der nun auf den Verfolger Jagd
macht. Es setzt oft arge Stöße, aber die größte Fröhlichkeit herrscht; man
sieht die kräftigsten Gestalten, unter deren Fersen die Erde dröhnt; dort
springt einer hoch in die Luft, ein anderer setzt mitten durch die Flammen;
hier haben sich zwei gefasst, ringen mit aller Anstrengung unter schallendem
Gelächter der Umstehenden. Jedenfalls muss man sehr gesunde Gliedmaßen haben,
um in diesem Ballett drei bis vier Stunden lang mitzutanzen.
Diese Turkmenen haben mir sehr gefallen; sie
haben jene natürliche Höflichkeit, die aus Wohlwollen entspringt, während sie
uns anerzogen ist. Nichts kam dem in unserem Zelt versammelten Publikum
seltsamer vor als mein Bett, obwohl es mir selbst sehr spartanisch schien und
nur aus ein paar Decken und weißen Tüchern bestand; als ich aber, um mich
schlafen zu legen, einen Teil meiner Kleider abtat, da konnte die Versammlung
ein allgemeines Lächeln nicht unterdrücken. Wirklich machte die übrige
Gesellschaft so wenig Nachttoilette, dass sie nicht einmal die Pistolen aus dem
Gürtel zog. Die Gastfreiheit ist diesen Leuten natürlich; man macht nicht die
mindesten Umstände, weder beim Kommen noch beim Gehen, und als ich am folgenden
Morgen vor Sonnenaufgang abritt, hatte ich Mühe jemanden zu finden, der mir
mein Trinkgeld abnehmen wollte.
Abends traf ich in Gögsyn [Göksun] ein, wo
Suleiman-Pascha lagerte, und da es schon dunkel war, so schickte er mir einige
seiner Agas mit Fackeln entgegen. Die Aufnahme war die freundlichste; am
folgenden Morgen früh kam mir der Pascha schon mit seinem Besuch zuvor, er
hielt mich für diesen Tag fest und schenkte mir ein schönes turkmenisches Pferd
zum Abschied; ich revanchierte mich mit einem Paar Pistolen.
Die vorhandenen Karten von Kleinasien
vermögen durchaus keine Vorstellung von der wirklichen Beschaffenheit des
Landes zu geben; ich hatte erwartet, von Ekrek aus über lauter hohe Gebirge
fortzuziehen, und war nicht wenig überrascht, eine weite Ebene zwischen
schneebedeckten Bergen in der Richtung von Westen nach Osten zu finden, eine
Öffnung in diesem Hochgebirge, als ob die Natur selbst den Menschen einen
Durchgang bahnen wollte. So geht es bis Albistan oder El-bostan [Elbistan] fort, einem sehr
hübschen Städtchen mit prächtigen Pappeln und Obstbäumen in einer Ebene, die
mit zahlreichen Dörfern und Feldern bedeckt ist. Hinter dem Städtchen erhebt
sich schroff der schöne Scherr-Dagh , an dessen schwarzen Wänden die weißen Minaretts und Kuppeln sich abzeichnen.
Die besonderen Verhältnisse, unter denen ich
reise, schließen mir Gegenden auf, die zu durchstreifen jedem Europäer bisher
unmöglich war; Gegenden, die man noch heute zum Teil nicht ohne militärische
Eskorte durchziehen oder, wie den Karsann-Dagh , nur im Gefolge eines Heeres betreten kann.
So günstige Umstände vereinigen sich selten und ich benutze sie gewissenhaft;
ich habe jetzt auf mehr als 700 geographischen Meilen dies Land durchkreuzt und
von sämtlichen die Wegeaufnahmen gezeichnet.