Die Grabung auf dem Dülük Baba Tepesi
Seit
2001 untersucht die Forschungsstelle Asia Minor, Universität Münster, den
Gipfelbereich des Dülük Baba Tepesi. Als Folge der seitdem von einem
internationalen Forscherteam durchgeführten archäologischen, geophysikalischen
und vermessungstechnischen Arbeiten konnte die Existenz des Iuppiter Dolichenus
Heiligtums auf diesem Berg zweifelsfrei nachgewiesen werden. Dies belegen neben
den bislang entdeckten umfangreichen baulichen Strukturen römischer Zeit, die
dem Heiligtum zugeordnet werden können, Weihungen an “den erhörenden Gott von
Doliche” in griechischer und lateinischer Sprache und auch Darstellungen des
Iuppiter Dolichenus.
Unerwartet
reiche Funde aus römischer Zeit wie vor allem auch aus früheren Epochen erlauben
es, sowohl unser Wissen über den Kult des Iuppiter Dolichenus als auch über die
Frühgeschichte des Kultplatzes zu erweitern. Hervorzuheben sind viele hundert
Perlen, Roll- und Stempelsiegel, die mehrheitlich aus dem 6./5. Jh. v. Chr.
stammen. Es handelt sich beim Dülük Baba Tepesi offensichtlich um einen der
wenigen Orte im südostanatolischen Raum, an dem sich Kulthandlungen vom frühen
1. Jt. v. Chr. bis in die christlich geprägte Spätantike hinein kontinuierlich
nachweisen lassen. Dass unterhalb des hellenistischen Horizonts noch Zeugnisse
früherer Phasen des Heiligtums anzutreffen sind, ist sicherlich ein Glücksfall
nicht nur für die Erforschung des Heiligtums eines der wichtigsten Götter des
römischen Imperiums, sondern auch allgemein für Fragen zur Kultkontinuität und
Religionsgeschichte des gesamten antiken Vorderen Orients.
Iuppiter
Dolichenus, Zeus Dolichaios, Hadad, Baal: Der höchste Gott von Doliche, einer
antiken Stadt in der der heutigen Südosttürkei, ist im 2. Jh. n. Chr. unter
verschiedenen Namen verehrt worden.
In
Lambaesis, einem Kastell in Libyen, Nordafrika, weiht der römische Offizier
Sextus Iulius Maior im Jahr 125/126 n. Chr. einen Tempel für Iuppiter
Dolichenus. Dies ist der erste Beleg für die Verehrung des Gottes außerhalb
Doliches. Nur 50 Jahre später treffen wir Dolichenus dann an vielen Orten des
römischen Reiches, vor allem an den Grenzen des Reiches, am Hadrianswall in
England, entlang des Rheins und der Donau, in Rumänien und auf der Krim. Als
„besten und größten Iupiter aus Doliche (Iuppiter Optimus Maximus Dolichenus)“
rufen ihn seine Verehrer, die häufig Soldaten sind, an. Zahlreiche Tempel,
Altäre und Reliefs werden ihm um 200 n. Chr. geweiht.
Warum
sich der Kult deses Gottes, nachdem er viele hundert Jahre nur in Doliche
verehrt wurde, innerhalb kurzer Zeit im ganzen römischen Reich verbreitete,
bleibt rätselhaft. Klar ist nur, dass römische Soldaten, die in Syrien und
Mesopotamien, an der Ostgrenze des Reiches, eingesetzt wurden, dort mit dem
Gott in Kontakt kamen. Als Herrscher der Welt mit kriegerischen wie auch
lebenspendenden Aspekten scheint er für sie besonders attraktiv gewesen zu
sein. Daher trugen die Soldaten, wenn sie von Einsätzen in Syrien
zurückkehrten, die Verehrung des Gottes aus Doliche in ihre alten Lager oder in
ihre neuen Einsatzorte. Dort lernte auch die Zivilbevölkerung den Gott kennen.
Das
Aufblühen des Kultes fiel in eine Zeit, in der sich auch andere Religionen
orientalischen Ursprungs schnell und weit verbreiteten, z. B. Isis,
Mithras oder auch das Christentum. Trotz großer Unterschiede zwischen diesen
Religionen war ihnen gemeinsam, dass sie einem gewandelten religiösen Empfinden
der Menschen entgegen kamen. Sie integrierten ihre Anhänger durch eine starke
gemeinschaftliche Bindung, durch geheimes Wissen, das nur Eingeweihten vertraut
war, und eine an dieses Wissen gebundene Aussicht auf eine gute Zukunft.
Mit
der Verbreitung des Gottes wandelte sich auch dessen Darstellung. Er passte
sein Aussehen den neuen Zeiten an. Zwar stand er weiter auf einem Stier, hielt
Axt und Blitz, doch trug er nun die Kleidung römischer Offiziere mit kurzer
Tunika und Panzer. Alte orientalische Elemente wie die Hörnerkrone oder der
lange Zopf, die auf der Stele von Doliche sichtbar sind, waren für die
Gläubigen im Westen des Reiches unverständlich und fielen weg. Die neue
Bildsprache präsentierte den Gott zwar deutlich erkennbar und bewusst als
„orientalisch“, tat dies jedoch auf eine Weise, die den Menschen im Westen des
Reiches vertraut war.
Diese
neue Bildsprache war auch in Doliche selbst verbreitet. Eine 2009 im Heiligtum
gefundene Bronzeapplik zeigt den Gott in der westlich beeinflussten Tracht. Dieses
Bildnis unterscheidet sich deutlich von der Stele in altorientalischer
Tradition. Hier treffen anschaulich zwei Ebenen aufeinander: Lokaltkult und
Reichsreligion.
In
der 2. Hälfte des 3. Jh. n. Chr. werden die Zeugnisse für die Verehrung des
Gottes immer weniger. In dieser Zeit wird zudem das Heiligtum von Doliche durch
die Perser zerstört. Das Christentum drängt schließlich alle anderen Religionen
zurück. Nur noch wenige Weihungen an den Gott stammen aus dem 4. Jh. n. Chr. In
dieser Zeit etabliert sich das Christentum auch im Heiligtum von Doliche.
Die Stele von Doliche
Am
18.09.2007 wurde eine Basaltstele mit der ersten Darstellung des Gottes von
Doliche und seiner Partnerin aus dem Heiligtum von Doliche entdeckt. Wie kein
anderer Fund gibt sie Auskunft über das den Charakter des Götterpaares und die
Vorstellungen, die den Glauben der Menschen prägten.
Die
Stele ist in zwei Felder geteilt: Die obere Zone zeigt die Welt der Götter, die
kleinere untere Zone hingegen die der Menschen. Zwei Männer stehen um einen
Altar und opfern. Auf dem Kopf tragen sie spitze hohe Hüte, in der linken Hand
halten sie einen Zweig. Diese sind typische Merkmale von Priestern im antiken
Syrien. So sind z. B. ganz ähnliche Bilder von Priestern aus dem Heiligtum der
Großen Syrischen Göttin von Hierapolis, 80 km südöstlich von Doliche, überliefert.
In
der oberen Zone steht links Iuppiter Dolichenus auf einem Stier. Bekleidet ist
er mit einem knielangen Schurz mit Fransenborte. An einem breiten Gürtel hängt
ein Schwert. Der Gott trägt einen langen spitzen Bart, der weit auf die Brust
herabfällt. Den Kopf bedeckt eine hohe Kappe, die mit kleinen Hörnerpaaren
geschmückt ist. Das lange Haupthaar fällt zum Zopf geflochten in den Rücken
hinab und rollt sich am Ende ein. In der vorgestreckten Linken hält der Gott
ein Blitzbündel. Die Blitze sind als mächtige Waffen und als Zeichen der
Herrschaft über das Wetter zu sehen. In der erhobenen Rechten hält der Gott
eine Doppelaxt.
Die
Darstellung des Gottes folgt einem bekannten Muster, das seit dem 3. Jt. v.
Chr. für viele Wettergottheiten des Nahen Ostens üblich war. Dies wird z. B. im
Vergleich mit einer der Wettergottstelen aus Tell Ahmar (9. Jh. v. Chr.)
deutlich.
Die
weibliche Göttin, als Iuno Regina bekannt, steht rechts vom Gott auf einem
Hirsch. Ihr knöchellanges Gewand wird von einem sehr breiten, aus vier Reifen
gebildeten Gürtel gehalten ist. Ein Mantel fällt über die linke Schulter herab.
Teile des Hinterkopfes sind verloren. Sie trägt eine quadratische Kappe
(Polos). Das lange Haar fällt im Nacken herab. In ihrer rechten Hand hält sie
einen runden Spiegel, ein typisches Attribut von Göttinnen, genauso wie
Granatapfel in der Linken, Symbol der Fruchtbarkeit.
Wie
Iuppiter Dolichenus ist auch Iuno auf der Stele nicht von Darstellungen von
Göttinnen aus viel früherer Zeit zu unterscheiden. Man vergleiche sie etwa mit
einer Stele der Kubaba aus Nordsyrien im British Museum (9. Jh. v. Chr.).
Zwischen
den Göttern ist ein stilisierter Lebensbaum zu sehen, der genauso wie die
Trauben am oberen Bildrand die lebenspendende Kraft der Götter ausdrückt.
Wann
wurde die Stele angefertigt? Trotz der altertümlichen Darstellung ist sie erst
in hellenistisch-römischer Zeit entstanden. Das ist vor allem an der Opferszene
zu erkennen, etwa an der Form des Altars. Gleichzeitig zeigt die Stele, wie
stark auch in dieser Zeit noch die Gottesvorstellung in der altorientalischen
Vorstellung verwurzelt ist.
Das Heiligtum -
Forschungsgeschichte
Obwohl
bereits im 19. Jh. aufgrund zahlreicher Funde von Inschriften und Darstellungen
aus den Nordwestprovinzen des Imperium Romanum die Bedeutung des Iuppiter
Dolichenus für die römische Religionsgeschichte bekannt war, blieb das
Interesse an der Heimat des Gottes zunächst gering. Der große belgische
Forscher Franz Cumont, der 1907 Nordsyrien und auch Doliche bereiste, war der
erste, der den Dülük Baba Tepesi besuchte und dort spuren des Heiligtums
entdeckte. Zu sehen gab es auf dem damals noch kahlen Berg freilich nicht viel,
und so blieben auch nachdem Cumont die Ergebnisse seiner Studien in Syrien 1917
veröffentlicht hatte, weitere Forschungen aus.
Zwar
nahm, beflügelt durch einen stetigen Strom neuer Zeugnisse vor allem von den
nördlichen und westlichen Grenzen des römischen Reiches, das Interesse an
Iuppiter Dolichenus weiter zu - Fragen zum Heimatheiligtum und zu dessen Rolle
in der Blütezeit des Kultes konnten jedoch weiterhin nicht präzise beantwortet
werden. Einzige Ausnahme waren die Forschungen Jörg Wagners, der in seit den
70er Jahren den Dülük Baba Tepesi mehrfach besuchte. Die Ergebnisse seiner
Untersuchungen, darunter auch wichtige Neufunde wie das Fragment einer
kommagenischen Kultinschrift oder die nahe dem Heiligtum gelegene sogenannte
Priesternekropole, wurden 1982
in den Bonner Jahrbüchern veröffentlicht.
Eine
systematische Erforschung des Heiligtums begann erst 2001, als der
Forschungsstelle Asia Minor in Kooperation mit dem Museum Gaziantep die
Erlaubnis erteilt worden war, den Dülük Baba Tepesi archäologisch zu
untersuchen. Die ersten zwei Jahre waren vor allem der Erschließung des
Geländes durch Geoprospektion gewidmet, was jedoch angesichts der Aufforstung
des Areals, des hoch anstehenden Felses und der Antennen im zentralen
Gipfelareal jedoch nur bescheidene Resultate brachte.
2003
begannen daraufhin systematische Grabungsarbeiten im Gipfelbereich, die seitdem
beständig ausgedehnt wurden und das Wissen um die Geschichte und Ausgestaltung
des Gipfels von der Eisenzeit bis in das christliche Mittelalter beständig
erweitern.
Hiç yorum yok:
Yorum Gönder